Geologische Wanderung zum schönsten Platz Österreichs 2015

Wir beginnen unsere Wanderung bei der Formarin-Alpe, die unsere Vorfahren seit mehreren Jahrhunderten betreiben.

Die Moränenwälle der letzten Eiszeit sind deutlich abgebildet. Die Lechquellen (Formarinbach) sind in unmittelbarer Nähe, wobei der Quellaustritt bzw. die Quellaustritte gar nicht so auffällig sind. Der Untergrund besteht, wie auch unter dem Formarinsee, aus Hauptdolomit (Plattenkalk) der vor ca. 205 Mio. Jahren aus Meeresablagerungen in seichten, weiten, abgeschlossenen Lagunen entstanden ist. Marschland, Gezeiten, Wattflächen, welche immer wieder trockengefallen sind, sind typisch. Das organische Leben war nicht sehr reich, der Hauptdolomit ist fossilarm. Trotzdem sind in dieser mächtigen Schichtgruppe Schnecken, Muscheln und Algen zu entdecken.

Dem Formarinsee und seinem verkarsteten Untergrund ist ein besonderes Augenmerk zu widmen, denn wir befinden uns hier an der Europäischen Wasserscheide zwischen Nordsee und dem Schwarzen Meer. Das Einzugsgebiet Lech-Donau-Schwarzes Meer greift hier ganz eigenartig, tückisch und zungen-keilförmig nach Westen in das Einzugsgebiet von Lutz, Alfenz, Ill, Rhein und Nordsee hinein. An dem Ufer des Formarinsees kann man die Seespiegelschwankungen erkennen, was auf die unterirdische Entwässerung an verkarsteten Klüften, Fugen und Schichtflächen Richtung Marulbach nach Norden bzw. Nordsee erfolgt. Die Lagerung der Gesteine, der Schlüssel zum Gebirgsbau, ist hier sichtbar.

Bei der Freiburger Hütte auf 1.918 m, ist es Zeit, sich eine Pause zu gönnen und sich mit Blick auf die Rote Wand zu fragen: Was steckt in diesem Koloss bis zum Gipfel auf Höhe von 2.704 m?

Wir überblicken in der Felswand der Roten Wand, eingebettet in diesem faszinierenden und eindrucksvollen Landschaftsbild mit verschiedenen Gesteinen, eine erdgeschichtliche Entwicklung, die sich vor 100 bis 200 Mio. Jahren vor heute abgespielt hat. Zudem sehen wir verschiedene Meeresablagerungen, welche in seichten Schelfmeeren, Lagunen, in schlecht durchlüfteten Meeresbecken, Schwellen, tieferen Ozeanbecken, mit zeitweiliger vulkanischer Tätigkeit, auf einer Karbonatplattform entstanden sind. Durch plattentektonische Prozesse, Kontinentalverschiebung, Faltungen, Hebungen in der Tertiärzeit mit alten Hochflächen und Modellierung durch die Eiszeiten ist eine einzigartige, unverwechselbare, alpine Landschaft entstanden, die zu unserem Lebensraum und zu unserem heimatlichen Nest wurde.

Der Abschluss unserer Wanderung, ist die Erforschung des Steinernen Meeres mit all seinen Besonderheiten und Geheimnissen. Das Naturphänomen „schönster Platz Österreichs“ verdient unsere Ehrfurcht und darf zivilisatorischer Gier und respektlosen Gefälligkeiten nicht zum Opfer fallen.

Joschi Kaiser, Geologe und Vorarlberger Wanderführer